Fotoarchiv Gade

DDR Design. Verpackungen für Lebensmittel

1990 fotografiert von Hans Martin Sewcz.

Text: Thomas Gade / November 2022

Design und Warenangebot in der Deutschen Demokratischen Republik. Hans Martin Sewcz fotografierte 1990 Lebensmittel im Angebot einer HO-Kaufhalle in Berlin Marzahn. Sie befanden sich in Verpackungen in Formen und mit Designs aus der DDR-Zeit. Quasi im letzten Moment nutzte Sewcz die Chance, mit seinen Fotos die Produktpräsentation aus einer endenden Ära festzuhalten, bevor sie von westlichen Produkten, bzw. in angepassten Verpackungen in den Regalen ersetzt wurden.

Sewcz bewies mehrfach ein gutes Gespür für Veränderungen. Ihm war früher als anderen bewusst, dass Entwicklungen aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik die Zeit nach der Wiedervereinigung nicht überleben konnten, ein Vorgang der später als Abwicklung bezeichnet wurde. Dazu gehörten auch Verpackungen aus der Lebensmittelindustrie. Auf den ersten Blick wirken die einzelnen Fotos banal, aber als Serie üben sie einen eigentümlichen Reiz aus. Ab Mitte der 1980er Geborene oder Leute aus der BRD können sich an die Designs nicht erinnern.

Keine Marken

Auf den meisten Produkten steht keine Marke, sondern nur eine Inhaltsbezeichnung wie Ostsee Heringsfilet, Zucker, Speisesalz jodiert oder Räucherspeck Schmalz nebst einer Mengenangabe. Irgendwo steht ein Hinweis auf den volkseigenen Betrieb, der das Produkt herstellte. Auf unverpackte Brote wurden Papieretiketten mit Angaben geklebt.

Die Auswahl war beschränkt. Überflüssiges wurde vermieden. Salz war Salz und Zucker war Zucker. Wozu brauchte man Vielfalt durch verschiedene Marken, wenn die Produkte identisch waren? Anders als in der westlichen Welt war bei den Basis-Nahrungsmitteln die Marke irrelevant und es gab durch ihre Abwesenheit auch keine irrationalen Preisunterschiede, die ausschließlich auf Marken beruhten.


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Sewcz beließ es nicht bei den Fotos. Er trug noch eine einzigartige Sammlung aus Warenverpackungen aus der ehemaligen DDR zusammen. Es gelang ihm, das bedruckte Material zum Herstellen von Verpackungen für Flüssigkeiten (ähnlich wie Tetrapacks) zu bekommen. Die Druckerzeugnisse waren noch nicht geschnitten und zu Packungen gefaltet. Während damals viele andere Menschen zur Erinnerung Stückchen aus der ehemaligen Berliner Mauer schlugen, hatte Sewcz den nötigen Weitblick, die Motivation und auch die Fähigkeit, das Material aus den Druckereien zu bergen und zu bewahren.

Er lagert es in Berlin. Eigentlich gehört es in ein Museum, das gute Möglichkeiten zur Präsentation und konservatorisch besseren Archivierung bietet. Es gibt geeignete Häuser, aber bislang fehlt ihnen die Bereitschaft zur finanziell fairen Honorierung des Zusammentragens und Bewahrens der kulturhistorisch bedeutsamen Designprodukte aus einer vergangenen Ära, die einer Übernahme angemessen wäre. Sie verpassen damit die Chance, sie in ihren Bestand aufzunehmen und dazu wertvolle Informationen aus erster Hand vom Zeitzeugen Sewcz zu erhalten.


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