Fotoarchiv Gade

Hans Hermann Gade

Hans Hermann Gade (1933 - 2013) stammte aus dem niedersächsischen Ort Ebstorf. Seine Vorfahren väterlicherseits waren Stellmacher. Zum Elternhaus gehörte eine Werkstatt und als Quergebäude ein großer Schuppen mit angrenzenden Räumen, die als Ställe für Tiere genutzt wurden. Die berufliche Tradition seiner Vorfahren konnte von ihm aufgrund der technologischen Entwicklung im Fahrzeugbau nicht fortgesetzt werden. Vom Stellmacher gebaute Holzräder oder komplette Wagen waren nicht mehr gefragt; industriell gefertigte Fahrzeuge aus Metall und Kunststoff verdrängten sie.
Er lernte deshalb zunächst den Beruf des Uhrmachers. Aber auch hier deutete sich bereits ein Wandel mit ungünstigen Perspektiven an, während als Folge des 2. Weltkrieges bei Lehrern Nachwuchs gefragt war. Hans Hermann Gade studierte deshalb zusätzlich für das Lehramt und wurde kurz nach Abschluss Leiter einer Grundschule in Jork. Von 1966 bis 1969 nutzte er die Möglichkeit, sich aus dem deutschen Schuldienst beurlauben zu lassen, um drei Jahre in der Deutschen Schule Concepción in Chile tätig zu sein. Er nutzte seine Freizeit für Reisen im Land und fotografierte dabei ausgiebig.


Hans Hermann Gade mit seiner Frau Hildegard unterwegs in Chile.

Hans-Hermann Gade fotografierte gewöhnlich seinen familiären Alltag. Von frühen Reisen mit anderen Jugendlichen brachte er Erinnerungsfotos zurück. Die Abzüge wurden in Fotoalben geklebt. Die Familie war stets ein wichtiges Thema: Seine Kinder, seine Ehefrau, seine Eltern und Schwiegereltern. Auf Reisen und Ausflügen entstanden ebenfalls Bilder für Fotoalben. Als die Kinder noch bei den Eltern lebten, wurden häufig Dias aufgenommen, die manchmal im Wohnzimmer mit einem Diaprojektor auf die Leinwand projiziert wurden, um sie im Kreis der Familie zu betrachten.

Solche Diavorführungen fanden meistens in der Weihnachtszeit statt. Nachdem die Kinder erwachsen und fortgezogen waren, kam es nur noch selten dazu. Außerhalb familiärer Themen oder der Urlaubsfotografie nutzte Hans-Hermann Gade seine Kamera nur sporadisch. Ein berufliches Interesse daran bestand nicht. Er war verbeamteter Lehrer, der nicht zuletzt aus der Verantwortung für seine Familie, die sicheren Einkünfte einer ungewisseren Alternative vorzog. Doch hatte er einen guten Blick und viele Jahre eine gehobene Amateurausstattung zum Fotografieren. Auch konnte er gut schreiben, was viele lange Briefe und eine umfangreiche Familienchronik belegen. Er hätte durchaus auch als Journalist oder Schriftsteller Karriere machen können.

Chile (1966 bis 1969)

Für seine drei Dienstjahre als Lehrer in Chile leistete er sich die brandneue und damals ultramoderne Minolta SR-T 101 mit einigen Objektiven. Zum Umzugsgepäck, das auf einem Frachtschiff von Deutschland nach Chile transportiert wurde, gehörte auch ein neuer VW-Käfer, sein erstes Auto. Reieslustig unternahmen er und seine Ehefrau, manchmal auch mit ihren kleinen Kindern, Ausflüge in Chile. Mit einem dort gewonnenen Freund, Alberto (Tito) Gutmann, besuchte er alte Minen in der Atacamawüste, wo dieser Chilene mit deutschen Wurzeln früher mancherorts gearbeitet hatte. Zustände wie im wilden Westen waren anzutreffen und unglaubliche Geschichten zu hören. Ghost Towns und rostige verlassene Anlagen bis hin zu apokalyptisch anmutenden Schmelzöfen für Kupfer, aber auch Indianergräber und viel traditionelle Folklore gehörten dazu. Das für ihn exotische Land und die Leute motivierten Hans Hermann Gade zu umfangreichen fotografischen Dokumentationen.


Zwei chilenische Mapuchekinder. Foto von Hans Hermann Gade im Schulbuch ‚Kombi Buch Deutsch 5’ vom C.C. Buchner Verlag im Jahre 2007

Digitale Erschließung der Chile Fotos

Einige Jahrzehnte später hatten der Auszug der Kinder, eine Erkrankung und andere Umstände um die Jahrtausendwende dazu geführt, dass Hans-Hermann Gade u.a. das Interesse an seinen Dias verlor und sie wegschmeißen wollte. In der Phase hatte nicht viel gefehlt, um es dazu kommen zu lassen.

Sein Sohn Thomas Gade hatte inzwischen angefangen, ein Fotoarchiv aus eigenen und fremden Bildern aufzubauen. Er bat seinen Vater, diese Bilder auf keinen Fall zu entsorgen, sondern ihm die Fotos aus Chile für sein Fotoarchiv zu überlassen, während andererseits die Mutter darauf bestand, dass die Familienbilder im Hause blieben.

Hans Hermann Gade stimmte zu. Hintergrund: Die Eltern hatten ein frühes Interesse von Thomas an der Fotografie schon in Jugendjahren sehr unterstützt. Er konnte an Schüler-AGs teilnehmen und durfte sich sogar zu Hause ein Fotolabor einrichten. Er hatte später parallel zum Studium in Fotoagenturen gearbeitet und war anschließend viele Jahre Leiter einige Projekte, die Museen in Berlin bei der Digitalisierung fotografischer Bestände unterstützten.

Deshalb überließ Hans-Hermann seinem Sohn Thomas seine chilenischen Bilder, der daraufhin einen neuen Filmscanner von Nikon erwarb, um sie zu scannen. Er besorgte seinem Vater einen Computer mit einer Software zum Beschriften von Fotos. Hans-Hermann Gade trug individuelle Bildbeschreibungen in die IPTC-Metatexte der einzelnen Bilddateien ein und fand Gefallen an dieser Arbeit. Mit der damaligen, noch leistungsschwachen EDV-Technik war das kein geringes Unterfangen. Aber bereits im Jahre 2001 waren viele dieser Bilder auf der kurz zuvor eingerichteten Website medienarchiv.com zu sehen. Die durch diese Arbeit erworbenen Computerkenntnisse motivierten Hans Hermann Gade wohl zum Verfassen einer ausführlichen Familienchronik mithilfe eines Schreibprogramms. Früher hatte er schon viele Briefe mit einer alten Schreibmaschine geschrieben; was ihm gesundheitsbedingt um das Jahr 2000 schwer fiel. Die Korrekturmöglichkeiten am Computer und der leichtere Anschlag auf einer PC-Tastatur vereinfachten jedoch das Verfassen von Texten.

Einige Jahre lang erregten die Bilder der indigenen Bevölkerung Chiles das Interesse von Fachleuten. Diverse Websites verwiesen auf Fotos der chilenischen Mapuche. Danach wurde ähnliches und weiterführendes Bildmaterial auch in anderen Quellen verfügbar, deren Texte in englischer oder spanischer Sprache verfasst waren. Dadurch stagnierten die Zugriffe.

Fotomaterial

Hans Hermann Gade fotografierte mit Kleinbildfilm. Seine frühen Dias montierte er zwischen 5 x 5 cm Glasscheiben, die am Rand mit gummierten Papierstreifen zusammengeklebt wurden. Die chilenischen Foto wurden teilweise schwarzweiß fotografiert oder auf Agfacolor Diafilm. Die meisten chilenischen Dias sind überwiegend in Papprahmen von Agfa aus dem Labor gekommen. Zum Scannen wurden die in Glas gefaßten Dias glaslos umgerahmt, um die Stauberkennung durch den Scanner zu ermöglichen und zudem eine konservatorisch bessere weitere Aufbewahrung zu ermöglichen. Dias in Papprahmen wurden darin belassen, obwohl sie die Bilder etwas beschneiden, insbesondere in den Ecken.


Agfacolor Dias in Papprahmen. Format: Kleinbild / 24x36mm auf 35mm Film

Als es in den 1970ern üblich wurde, Color-Negativfilme zu belichten, um aus Fotogeschäften oder Drogerien Umschläge mit den entwickelten Filmen und Abzügen zu erhalten, entstanden die meisten Fotos auf diese Weise, während Schwarzweißfilm kaum noch verwendet wurde und Diafilme nur in besonderen Fällen.

Schiffahrt an der Elbe

Neben den Bildern aus Chile, überließ Hans Hermann Gade seinem Sohn Thomas auch Fotos von der Seefahrt und Häfen an der Elbe und an der Nordseeküste sowie heimatkundliche Themen im niedersächsischen Elbegebiet. Er fotografierte Schiffe im Hamburger Hafen und auf der Elbe sowie den Deichbau und die Auswirkungen der Gezeiten, die er vor allem während seiner Dienstzeit in Lühe (an der Elbe) und in seinen späteren Lebensjahren in Niedersachsen aufnahm. Es gibt nicht viele Bilder dieser Art. Sie entstanden vermutlich, um sie im Schulunterricht zu zeigen.


1975. Hamburg. Die Münsterland gehörte zu den Schiffen, die über 8 Jahre im Suezkanal eingeschlossen lagen, der im Nahostkonflikt gesperrt wurde.

Stand der Dinge im Jahre 2020: Die meisten Dias sind noch so gut erhalten, so dass sie mit besserer Technik nochmals in höherer Auflösung digitalisiert werden könnten. Allerdings zeigen einige inzwischen deutliche Farbveränderungen und manche sind verdorben. Zuvor sollten die einzelnen Dias aus den Papprahmen heraus genommen werden, welche die Randbereiche der Bilder verdecken. Dadurch würden aber handschriftliche Anmerkungen auf den Papprahmen von den Dias getrennt werden. Man sollte sie zuvor gemeinsam mit den betreffenden Dias digitalisieren. Machbar wäre das mit einem Flachbettscanner mit Durchlichteinheit, mit dem ein aufgelegtes Tableau aus mehreren Reihen Dias sowohl mit Auflicht als auch mit Durchlicht gescannt wird, um sie mitsamt den Notizen auf den Rahmen in Übersichtsbildern darzustellen.

Zudem wäre es sinnvoll, die Bilder nach Themen in mehrere Alben aufzuteilen und die Auswahl zu verringern. Es liegt eine Chronik von Hans Hermann Gade vor, die teilweise eine bessere Beschreibung und Einteilung ermöglicht.

2013/2020 Text © Thomas Gade