Fotoarchiv Gade

Käthe Denicke

Alias Katja Nick / Kati Nick. (* 31. Januar 1918; † 12. März 2006 in Berlin)

2020 © Thomas Gade

Nachlassversteigerung durch einen Trödelhändler
Im Jahr 2006 ersteigerte ich aus einem Nachlass eine große Kiste voller Tonbänder und schmutziger Koffer, die viele Diamagazine und andere Behälter mit Fotos enthielten. Anschließend fuhr ich zwecks Abholung zum Betriebsgelände einer Nachlassverwertung im südwestlichen Berlin. Das Gelände ähnelte einem Müllplatz mit mehreren 20 Fuß Containern, die als Schuppen und Lager verwendet wurden. Auf meine Frage nach den Sachen, wies man mich zu einem Container, der halbvoll mit irgendwie hineingeworfenen Sachen war. Es war gar nicht klar erkennbar, was ich davon ersteigert hatte. Es interessierte auch keinen und man überließ es mir einzusammeln, was ich für meins hielt. Alles war schmutzig und erweckte nicht den Eindruck, einen guten Fang gemacht zu haben. Ich packte trotzdem so viel in den Kofferraum, bis er voll war.

Zuhause legte ich den Boden eines Zimmers mit einer große Bau-Folie aus und verteilte darauf die Beute. Die Negativtaschen und Diamagazine waren lieblos in mehreren Bananenkisten und alten staubigen Koffern untergebracht. Einige Müllsäcke, feuchte Tücher und ein Staubsauger waren nötig, um leere Diarahmen, Glasscheiben, Papiere, alte Koffer und weiteres zu entsorgen und die Schmutzausbreitung in erträglichen Grenzen zu halten. Etwa zwei Drittel der Gegenstände waren unbrauchbar und landeten im Müll. In den Folgetagen wurden die Dias und Negative über einer Leuchtplatte betrachtet, um rasch die Spreu vom Weizen zu trennen, bis alles zu einem überschaubaren Haufen zusammengeschrumpft war, der anschließend einer Reinigung unterzogen wurde.


Gerahmte Kleinbilddias und Schwarzweiß-Negative in verschiedenen Behältern.


Neben den Dias und Kleinbildnegativen gehörten auch einige Abzüge auf Fotopapier zum Konvolut.


Katinka Denicke, eine weitere Namensvariante, war die Empfängerin eines Pakets. Funde dieser Art sind hilfreich, um Daten über die Urheber von fotografischen Werken zu ermitteln.

Vortragskünstlerin Kati Nick
Erfreulicherweise befanden sich mehrere Listen mit Aufzeichnungen im Bestand, die zur Erschließung beitrugen sowie auch Verpackungen mit Adressaufklebern. Damit ließ sich die Fotografin identifizieren. Es war zunächst nicht erkennbar, ob es sich um zwei Damen handelte, die Käthe Denicke und Katja (Kati) Nick hießen. Des Rätsels Lösung: Katja Nick war der Künstlername von Käthe Denicke (1918 - 2006).


1977. Hamburg. Kati Nick im Hansa Theater.

Sie war Vortragskünstlerin, die seit ihrer Schulzeit fehlerfrei rückwärts sprechen und singen konnte. Sie hatte sich das als Kind mit ihren Schwestern als Geheimsprache beigebracht. Ihr Talent war so außergewöhnlich, dass bereits Reichspropagandaminister Goebbels auf sie aufmerksam wurde und an der Front in Norwegen auftreten ließ. Sie arbeitete nach dem Krieg in der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Der BfA-Präsident, ihr oberster Dienstherr, gewährte ihr Sonderurlaube für Auftritte in Japan und Taiwan.

Sie sprach acht Fremdsprachen. Alles, was sie hörte, konnte sie rückwärts nachsprechen. Das demonstrierte sie in diversen Fernsehshows und auf zahlreichen Bühnen. Bei ihren Auftritten hatte sie ein Tonband dabei, das die Bänder vorwärts und rückwärts abspielen konnte. Sie sprach oder sang etwas in das Mikrofon, das sich für die Zuhörer wie Kauderwelsch anhörte. Lief das Band rückwärts ab, war die Klangfolge aber richtig, sodass die Sätze verständlich waren, als ob sie ganz normal ausgesprochen wurden. Mit ihrer Fähigkeit konnte sie sogar Publikum in Japan und Taiwan begeistern. Ihre künstlerische Karriere nahm mit Renteneintritt richtig Fahrt auf. Katja Nick trat häufig in Fernsehshows auf, wie bei Peter Frankenfeld, Wim Thoelke oder Stefan Raab. Sie schaffte es in die Late Show von David Lettermann. Es gab Auftritte in Taiwan, Japan und Frankreich. Sie war bis ins hohe Alter auf Bühnen und im Fernsehen zu sehen. Auf ihren Reisen besuchte sie in Kalkutta eine Krankenstation von Mutter Teresa und ein Hospital für Strahlenopfer in Hiroshima. Bei diesen Gelegenheiten entstanden viele Fotos. Käthe Denicke fotografierte gerne. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass einige Farbdias von mitreisenden Fotografen oder den anderen Künstlern stammen, weil Denicke selbst darauf zu sehen ist.

Ihr Status als Künstlerin öffnete ihr viele Türen. Sie traf hochrangige Personen in Japan, Indien und Taiwan, denen sie Grüße von Berlins Bürgermeisters Klaus Schütz übermittelte und Freiheitsglöckchen der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM / Berlin) mitbrachte.


1974. Vermutlich Taiwan. Käthe Denicke überreichte einem Herrn eine Freiheitsglocke der KPM und einen Brief vom (West-)Berliner Bürgermeister Klaus Schütz. Es gibt zwei Fotos, die einen Umschlag und Brief vom Bürgermeister Taipeis (Taiwan), Feng-shu (Feng-hsu) Chang, an 'The Honorable Klaus Schütz' zeigen. Ob der Herr auf dem Foto neben Käthe Denicke tatsächlich Feng-shu (Feng-hsu) Chang ist, konnte ich bislang nicht herausfinden, da ich im Internet erstaunlicherweise kein Bild von ihm zum Vergleich fand.



Handgeschriebene und getippte Listen mit Informationen ermöglichten eine gute Erschließung der Fotos. Ohne solche Notizen ist es oft nur schwer möglich, die Orte, Aufnahmezeitpunkte und konkrete Angaben zu den einzelnen Bildern festzustellen.

Fotografische Themen
Der fotografische Nachlass gliedert sich in Schwarzweißfilme aus den 1950-1960ern und Farbdias ab 1970. Die meisten Schwarzweiß-Negative stammen wohl von ihrer Schwester, die vor allem in Potsdam, im südlichen Berlin und auf den brandenburgischen Gewässern fotografierte. Zu sehen sind darauf vielfach die Familie und ihre Nichte, die gerne mit einem Wanderkanu auf der Havel unterwegs waren. Historischen Wert haben die Fotoserien von Betriebsfeiern, Leipziger Messen und politischen DDR-Umzügen in den späten 1950er Jahren.


Um 1970. Grund-Show. Jazz und Rock auf der Bühne. Käthe Denicke gehörte zum Publikum. Sie erhielt Tonbandgeräte von Grundig, die bei ihren Shows zu sehen waren.

Die 35mm-Farbdias ab ca. 1970 sind Käthe Denicke zuzuordnen. Dazu zählen viele Reisefotos aus aller Welt. Sie muss Begleiter gebeten haben, sie bei Auftritten und auf Reisen zu fotografieren. Diese Fotos zeigen Katja Nick als ältere Dame und bestens gelaunt in Shows, beispielsweise am Hansa Theater in Hamburg und auf Tourneen in Asien. Die Bildqualität entspricht dem damaligen Stand des Kleinbildfilms. Bei Innenaufnahmen während der Shows konnten meistens keine Blitze verwendet werden. Eine ruhige Hand beim Fotografieren und Filme mit relativ hohen Empfindlichkeiten für die damalige Zeit mussten diesen Mangel ausgleichen. Die Schärfe heutiger Digitalfotos mit flottem Autofokus, viel höheren ISO-Werten und Bildstabilisierung war so jedoch nicht zu erreichen.


1970er. Berlin. Käthe Denicke in einem Park mit Spiegelreflexkamera und Tonbandgerät. Der älteren Dame machte es wohl wenig aus, das schwere Aufnahmegerät mitzuschleppen.

Zustand des Materials
Die Schwarzweißfilme wurden größtenteils aufgerollt bewahrt und haben einen starken Drall entwickelt. Die Filmstreifen bleiben deshalb nicht flach liegen, sondern rollen sich spontan zusammen. Deshalb werden sie in Hüllen von Secol aus dicker Polyesterfolie aufbewahrt. Anders wären sie nicht zu bändigen.

Die gerahmten Dias befanden sich in Holzschattullen oder Magazinen aus Plastik. Der Klebstoff von Diarahmen aus Pappe hatte seine Klebkraft verloren. Der im Spalt des Magazins steckende Teil hielt noch zusammen, aber darüber fächerte die beiden Rahmenseiten mit dem dazwischenliegenden Dia auf. Bei anderen Diarahmen mit Glas hatte sich innen ein trüber Belag gebildet.

Alles Dias wurden deswegen ausgerahmt und in neue CS-Rahmen gesteckt, um besser angefasst und gescannt werden zu können. Seitdem werden sie platzsparender in neuen Behältern ohne Magazine aufbewahrt.


Die originalen Papprahmen der Kleinbild-Dias hielten nicht mehr zusammen und waren aufgefächert.

Veröffentlichungen

2014 schrieb der Journalist Christian Meurer einen Artikel über Katja Nick für die FAZ. Er verfolgte die Spur ihres Erbes, das er bei ihren Verwandten und in einem brandenburgischen Privatmuseum fand. Er entdeckte auch Denickes Fotos auf meiner Website medienarchiv.com. Im Artikel beschrieb Meurer, wo das Material geblieben war und so erfuhren es auch ihre Verwandten. Sie fanden, dass die Bilder bei mir gut aufgehoben waren.


2019 schrieb ich für die PhotoKlassik 2019 III einen Artikel über die Fotos von Käthe Denicke.



Fotoalben

Indien 1974



Taiwan 1970
Nepal 1974
Indonesien 1970


Potsdam 1980 (Denicke)
Südkorea 1974
Shows - Bühne - TV