Richard Kitschigin
Zugang: Dezember 2017
Aus dem fotografischen Nachlass von Ritchard Kitschigin (16. 2. 1930 - 3. 5. 2015) erhielten wir ein Konvolut bestehend aus ca. 6000 Schwarzweiß-Negativen im Mittelformat (6×6), zahlreichen Umschlägen mit Abzügen, rund 1100 gerahmte Kleinbildias und 28 CDs mit Bilddateien.
Unklar ist, ob Kitschigin nach der Jahrtausendwende auch digital fotografierte und was aus den Dateien wurde.
Richard Kitschigin mit doppeläugiger Rolleiflex (vermutlich frühe 1960er Jahre)
Richard Kitschigin studierte von 1949 bis 1953 Germanistik an der Freien Universität (FU) in Berlin. Danach blieb er der FU als Fotograf und freier Mitarbeiter für die Studentenzeitschrift Colloquium verbunden. Er bot seine Fotos auch anderen Abnehmern an. Seine Fotos versah er häufig mit einem Urheberrechtsstempel, seiner Adresse und dem Vermerk, dass eine Veröffentlichung nur mit Genehmigung des Autors gegen Beleg und Honorar erfolgen durfte.
Seine Themen fand er im studentischen Alltag der frühen Nachkriegszeit im westlichen Bereich der geteilten Stadt Berlin. Sie war damals noch stark geprägt von den Kriegsschäden. Kitschigin fotografierte Lastwagen, die große Mengen Bauschutt von zerbombten Häusern zu einem Trümmerberg auftürmten, dem sogenannten Teufelsberg (120 m) im Berliner Grunewald. Viele Brachflächen wurden noch neu bebaut und Kitschigin dokumentierte Grundsteinlegungen mit Prominenten oder fotografierte vom 1960 fertiggestellten Telefunken-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz die Wiederbebauung einige Areale der Technischen Universität (TU).
Kitschigins Kommilitonen mussten häufig als sogenannte Werksstudenten nebenbei arbeiten. Er produzierte eine Fotoserie über einen Studenten, der unter primitiven Bedingungen auf einem Dachboden hauste und neue Mauern in dem Haus errichtete.
Die Feiern der Studenten fanden in Räumen statt, die mit selbstbemalten Papieren oder Leinwänden dekoriert waren. Die Coca-Cola Flasche mit Strohhalm war eine moderne Requisite.
Kitschigin fotografierte Theatervorführungen, Kunst, Architektur, Mode, Musiker, Freizeitaktivitäten und dokumentierte seine Reisen. Zahlreiche exzellente Porträts von hochrangigen Persönlichkeiten aus Berliner Universitäten sind ihm zu verdanken. Darüber hinaus interessierte er sich sehr für den Motorsport und fotografierte das Geschehen rund um die ehemalige Berliner Rennstrecke Avus.
Obwohl Kitschigin etliche Jahre intensiv und professionell fotografierte, sind seine Fotos relativ unbekannt. Seine Biografie verrät den Grund. Am 1. April 1960 wurde Kitschigin beim Radio im amerikanischen Sektor (RIAS) als Rundfunkmoderator angestellt. Für professionelle Arbeiten wurde der Fotoapparat vom Mikrophon abgelöst. Schnell übernahm er die Position des Leiters der Abteilung Jugend und Erziehung. 1987 übernahm er beim RIAS die Leitung der Abteilung Sport und Freizeit.
Kitschigin war Motorsportler und von 1970 bis 1985 erster Vorsitzender des Berliner Motorsport Clubs SCUDERIA AVUS. 1986 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Der RIAS war nach dem Zweiten Weltkrieg im amerikanischen Sektor Berlins gegründet worden. Nach der Wiedervereinigung wurde der RIAS abgewickelt. Kitschigin ging 1991 in den Vorruhestand und widmete sich als Journalist weiterhin dem Thema Motorsport.
Mittelformat Schwarzweiß-Negative (6x6)
Im Konvolut gibt es 8 Kartons voller Schwarzweiß-Negative im Mittelformat (6×6), die einzeln in Pergaminhüllen mit jeweils individuellen Angaben zum Bild versehen sind. Die Inhaltsangaben wie, 1-50, bedeuten, dass 50 Mittelformatfilme in einem Karton sind. Kitschigin bewahrte pro Film rund 12 Aufnahme. Insgesamt düften die Karton rund 6000 Negtaive enthalten.
Detaillierte Notizen zu den einzelnen Fotos
Kitschigin führte Notizbücher mit genauen Angaben zu den einzelnen Fotos. Das Aufnahmedatum, der Film, Blende, Belichtungszeiten sowie Entwicklungsangaben und auch kurze Bildbeschriftungen wurden eingetragen. Für Archivare sind solche Angaben sehr wertvoll und vereinfachen die Erschließung des Bestands.
28 CD-Roms mit Scans
Zum Konvolut zählen 28 CDs mit Bilddateien. Darauf sind 511 Scans im Tiff-Format (24 Bit) von Kitschigins Fotos, insgesamt 18,7 GB. Die Scans enthalten keine eingebetteten IPTC Informationen. Somit sind keine Urhebervermerke und Bildinformationen eingebettet. Jedoch sind viele dieser Bilder auch als Abzüge vorhanden, auf deren Rückseite Richard Kitschigin seinen Urhebervermerk mit einem Stempel hinterließ.
Umkopieren: Die Daten der 28 CDs passen auf eine 25 GB BluRay
Auf den einzelnen CDs befanden sich handschriftliche Angaben, die besagten, dass die Scans in den Jahren 2006 und 2007 vom Unternehmen LVD, Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH in 10178 Berlin, Neue Promenade 6, erstellt wurden. Die Scans sind relativ kontrastreich. Schmutz und Kratzer sind sehr gut retuschiert.
Die gesamten Dateien der 28 CD-ROMs wurden zunächst auf eine Festplatte kopiert und passten anschließend auf eine einzelne 25 GB BluRay, die weniger Platz beanspruchte als der CD Stapel. Auf der BluRay befinden sich Verzeichnisse mit der gleichen Nummerierung wie die CDs. Darin sind jeweils die Scans von den CDs mit der gleichen Nummer gespeichert.
Um die handschriftlichen Notizen auf den CD-Datenträger nicht zu verlieren, wurden diese abfotografiert und entsprechende JPG-Dateien in ein zusätzliches Unterverzeichnis namens
'Beschriftung CDs' abgelegt. Anschließend wurden die CDs vernichtet.
Die gesamten Dateien wurden redundant auf zwei 25 GB BluRay Datenträger gebrannt, die in einer Ablagemappe mit Notizen und der Korrespondenz zum Ankauf des Konvoluts aufbewahrt werden. Weitere Kopien der TIF-Dateien befinden sich auf externen Festplatten.
Die TIF-Dateien bedürfen keiner weiteren Bearbeitung. Vor der Integration in das Präsenzarchiv werden sie zu JPG mit geringster Komprimierung gewandelt und mit urheberrechtlichen Informationen versehen.
Fotoabzüge
Zahlreiche Abzüge bis 18x24 cm
Dias
Zum Konvolut gehörten ca. 1100 gerahmte Kleinbilddias. Sie befanden sich in 9 Holzkästen für Dias, die nicht voll gefüllt waren. Während einer Sichtung dieser Bilder wurden ungefähr 900 Dias entsorgt, die belanglose Alltagsszenen im häuslichen Bereich zeigten, welche allenfalls für die abgebildeten Personen noch interessant wären. Qualitativ erweckten diese Dias den Eindruck, dass sie nicht zwingend von Richard Kitschigin stammten.
Die verbliebenen Dias wurden in dünne CS-Diarahmen umgerahmt, um ohne Magazinschienen platzsparend in nur einer Holzkiste untergebracht zu werden. Dabei konnten die Notizen aus den einzelnen Holzkisten übernommen werden.
Privates Album - Kindheit
Im Konvolut befindet sich ein privates Album sowie einige lose Familienfotos.
Das Album enthält Bilder aus Kitschigins früher Kindheit in Breslau, von Urlauben an der Ostsee bis hin zum Studium in Berlin. Der Zeitraum erstreckt sich im Wesentlichen von 1930 bis 1951.
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