Hans Martin Sewcz
Berlin. 1986. Modenschau in der DDR
Fotos: Hans Martin Sewcz / Text: Thomas Gade1986 fotografierte Hans Martin Sewcz eine Modenschau im Palast der Republik. Die Veranstaltung unterschied sich kaum von ähnlichen Shows in westlichen Ländern. Die Models präsentierten ihre Kleidung ebenso auf erhöhten Laufstegen, neben denen das Publikum auf Stühlen saß. Im damaligen Ostberlin (DDR) wurde in der von Sewcz dokumentierten Show eine Vielfalt von Kleidung gezeigt, vom Badeanzug über den Tennisdress, dem Herrenanzug, der Freizeitbekleidung für sonnige Tage bis hin zu eleganten Kleidern. Einige Models gingen barfuß, viele in Schuhen mit flachen Absätzen und einige auch mit halbhohen Absätzen. High-Heels, die damals in westlichen Modeschauen angesagt waren, sind auf den Bildern nicht zu entdecken.

Erstaunlicherweise ist auf keinem einzigen Foto ein Fotograf erkennbar. War Sewcz der einzige? Schwer vorstellbar! 2022 recherchierte ich nach Fotos von Modeschauen im Palast der Republik. Google zeigte nur sehr wenige. Wo sind die sicherlich zahlreichen Bilder geblieben? Das meiste analoge Filmmaterial wurde wohl nie gescannt.

1986. Palast Republik. Modeschau. Models auf dem Laufsteg.

Vor dem Verlassen des Gebäudes nahm Sewcz mit dem letzten Bild seines zweiten Films von innen die Eingangstüren des Palastes der Republik auf. Auf dem Parkplatz im Hintergrund stehen fast ausschließlich Autos der Typen Trabant und Wartburg.
Palast der Republik
Der Palast der Republik wurde zwischen 1973 und 1976 am Marx-Engels-Platz (ab 1994: Lustgarten und Schloßplatz) auf der Spreeinsel im Berliner Stadtbezirk Mitte gebaut.Der Palast der Republik war Sitz der Volkskammer und hatte zahlreiche Veranstaltungsräume. Das Gebäude wurde für öffentliche Kulturveranstaltungen, Feiern und Messen genutzt. Nach der Öffnung der Beliner Mauer (1989) kamen Stimmen auf, das Gebäude als ungewünschtes Relikt der DDR zu beseitigen. Dagegen protestierten vor allem viele ehemalige Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Für viele war der Palast der Republik mit positiven Erinnerungen besetzt. Sie empfanden den Abriss der Mauer und die Entmachtung der Stasi als befreiend, das Abreißen von kulturstiftenden Gebäuden der DDR wurde jedoch eher als Symbol für eine Übernahme der ehemaligen Ostzone durch den Westen empfunden, der danach den Ton angab.
Den Abrissfreunden kamen Funde von Baustoffen aus Asbestfasern entgegen. Sie führten zur Schließung des Gebäudes ab 1990. Zwischen 1998 und 2003 wurde das Asbest entfernt. Der Deutsche Bundestag beschloss 2003 den Abriss des Palastes der Republik. Dass dieses hohe Gremium sich damit befasste, unterstrich die Brisanz der Entscheidung. Es gab aus zeitgeschichtlichen, kulturellen und politischen Gründen starke Widersprüche.
Als ‚Ersatz‘ wurde nach dem Abriss am selben Ort dann ein Replik des Berliner Schlosses gebaut, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und 1950 gesprengt wurde. Die Tilgung bedeutender Kulturstätten aus DDR Zeiten, wie vor allem den Palast der Republik, empfanden viele Bürger der ehemaligen DDR, die in ihr aufgewachsen waren und infolge der Wiedervereinigung starke persönliche und berufliche Veränderungen erlebten, die teilweise sehr hart waren, als abwertend.