Franz Baake
Fotografien. Ca. 500 Fotos auf Mittelformat-Rollfilm. Gerahmte 6x6 Dias, Zugang: 2008Franz Baake, geboren am 31. 12. 1931, ist Regisseur, Fotograf, Autor und Psychologe. Er lebt in Berlin. Zwischen Ende der 1950er bis in die 1970er war er Regisseur für verschiedene Filme von United Artists.
1960 - 1963. Mittelformat-Dias von Franz Baake
2007 bat man mich, mit einem älteren Herrn Kontakt aufzunehmen, der seine Fotos verkaufen wollte. Zu dem Zeitpunkt stand es auf Messers Schneide, ob ich das Sammeln fremder Fotografien aufgab oder als Hobby fortsetzte, weil Einnahmen aus der Lizenzierung solcher Bilder durch die Umwälzungen im Bildermarkt nahezu vollständig ausfielen. Man konnte die Beschaffung, Erschließung und Archivierung solcher Fotos aus den kümmerlichen Erträgen nicht mehr finanzieren.Aber er hatte Filme gedreht, die für Preise nominiert waren und Bücher geschrieben, hieß es. Das machte mich dann doch neugierig. Ich stattete Franz Baake einen Besuch ab.
Berlin 1960 /1961
Ernst-Reuter-Platz
Ostberlin / Berlin / DDR
Stalinallee / Karl-Marx-Allee
Museumsinsel
Menschen in Westberlin
Party, Eden Saloon, Studenten, Frauen
USA
Kalifornien
New York
Flugzeuge 1960
Europa 1960
Mexiko 1960
Er empfing mich in seiner großen Berliner Wohnung in einem Raum mit einem Flügel, der zu einer mächtigen Ablagefläche geworden war. Franz Baake erwies sich als ein Mensch mit zahlreichen Talenten und einer spannenden Biografie.
Fotografische Anfänge
Franz Baake erhielt als 12-jähriger die Box von seiner Mutter, die sie selbst in jungen Jahren benutzt hatte. Als Box bezeichnete man einfache, quaderförmige Kameras mit Gehäusen aus Holz und Pappe, mit denen Rollfilme belichtet wurden. Baakes Box konnte 8 Fotos im Format 6 × 9 pro Film aufnehmen. Der einfache Fotoapparat, bei dem sich weder Belichtungszeit, Blende und Entfernung einstellen ließen, war eine Schönwetterkamera, die nur bei strahlendem Sonnenschein sinnvoll einzusetzen war. Bei Franz Baake erweckte die Box eine Leidenschaft für die Fotografie. Allerdings passierte das in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, in denen Filme allmählich Mangelware wurden. Die Fotogeschäfte behielten sie vorzugsweise Kunden vor, die auch teure Kameras und Objektive erwarben. Baake hatte in einem Fotogeschäft einen Katalog erhalten, in dem die damaligen noch erhältlichen Kameras aufgeführt waren. Die Eltern waren allerdings nicht bereit, dem Jungen gleich eine bessere zu kaufen. Durch das Kriegsende und die Geldentwertung war es dann auch erst einmal nicht mehr möglich.
Baake war nach Todesfällen früh für sich selbst verantwortlich und musste sich als Malergehilfe und in einem Geflügelgeschäft durchschlagen, bis sich 1952 für den 21-jährigen Baake die Möglichkeit ergab, im Lette Verein eine Ausbildung zum Fotografen zu absolvieren, die er 1954 als Geselle abschloss.
United Artists
Danach arbeitete er für die United Artists in der Spielfilm-Produktion als Pressereferent, Kameramann, im Schnitt und als Regisseur. 1964 nahm er an der TU Berlin ein Psychologie-Studium auf, blieb aber weiterhin als Regisseur tätig. 1962 wurde der Film Test for the West, an dessen Produktion Baake als 'Director' mitwirkte, während der Berlinale mit dem silbernen Bär ausgezeichnet und 1974 der Film ‚Schlacht um Berlin‘ zur Oscar-Preisverleihung nominiert.
Darüber hinaus ist er Schriftsteller. Ende der 1960er erschien sein Buch ‚Lyrik, Essays‘. Zu seinen bemerkenswerten Büchern gehören ‚ Pia, Pio und ich – Die Geschichte eines allein erziehenden Vaters‘ aus dem Jahre 1988 und ‚Jesus total‘ aus 1992. Fragen über seine Biografie beantwortete Franz Baake in seinem Buch Enkel fragt Großvater, das 2013 erschien.
Seine Mehrgleisigkeit wurde 1977 durch die Aufnahme als Psychologe in die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie unterstrichen. Ihn interessierten außerdem die Astrologie und Parapsychologie. Weit gefehlt wäre daraus jedoch der Schluss, dass es sich bei Franz Baake um einen esoterischen, weltfremden Menschen handelte. 1982 erlangte er seinen Meisterbrief in der Fotografie.
Zum Zeitpunkt unseres Treffens war Franz Baake 77 Jahre alt und immer noch beruflich tätig. Er hatte sich in Kooperation mit einer Arztpraxis auf Therapien für Patienten spezialisiert, denen mit der Schulmedizin nicht weitergeholfen werden konnte.
Vieles davon erfuhr ich bereits in einem interessanten Gespräch, bevor wir zu den Dias kamen, die er verkaufen wollte. Anderes wurde später durch Veröffentlichungen in den Folgejahren ergänzt.
Farbdias auf Mittelformat
In acht Holzkästen, etwa so groß wie Schuhkartons, befanden sich gerahmte 6×6 Dias aus der Zeit von ca. 1960 bis 1961. Die Holzkisten hatten ein Fassungsvermögen von jeweils 100 gerahmte Dias und waren nicht vollständig gefüllt.
Diavorträge in den USA
Die Story zu den Bildern: Ein Freund Franz Baakes studierte Anfang der 1960er an der Columbia University in New York. Baake erwog, ihn zu besuchen und in den USA Diavorträge über Berlin anzubieten. Keine schlechte Idee, weil Berlin durch die Spannungen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion mit Interesse beobachtet wurde. Baake erwarb eine zweiäugigen Rolleiflex Kameras für 6 × 6 Fotos auf Mittelformat-Rollfilm. Er fotografierte das angenehme Treiben am Kurfürstendamm sowie die Humboldt-Universität im östlichen Teil der Stadt. Weitere Aufnahmen entstanden zeitnah in anderen europäischen Ländern. Bevor Baake seine Reise antrat, kam es 1961 noch zum Bau der Berliner Mauer. Er konnte auch davon Bilder mitnehmen.
Damaliger Regierenden Bürgermeister von Berlin war Willy Brandt. In bat Baake um ein Grußwort für seine Vorträge in den USA und erhielt dafür tatsächlich einige freundliche Zeilen. Baake trat seine Reise mit 50 DM an, ohne Englisch zu können, und blieb etwa eineinhalb Jahre. Tatsächlich führt er seine Dias häufig vor. Das Interesse war groß. Der begleitende Text wurde von einem der englischen Sprache Kundigen vorgetragen. Allerdings verdiente er damit kein Geld. Stattdessen hatte er das Glück, durch seine Erfahrungen und Kontakte bei United Artist als Toningenieur für die unglaublich hohe Bezahlung in Höhe von 50 $ pro Stunde jobben zu können. 1962 war ein US $ vier DM wert. Baake hatte nicht einmal eine gültige Arbeitserlaubnis. Seine Rückreise trat er mit einigen 1000 $ an.
Baake fotografierte auch während seines Aufenthaltes in den USA und Mexiko, in einigen Ländern Europas und viel in Berlin. Seine Fotos aus New York entsprechen den Klischees aus Spielfilmen der damaligen Zeit, zeigen aber auch den geschulten Blick des Kameramannes und Regisseurs.
Baake erinnerte sich gut an die Details und konnte spannend darüber berichten. Die alten Dias schienen ihm jedoch nur noch wenig zu bedeuten. Sie hatten wohl ihren Zweck erfüllt. Möglicherweise spielte auch ihr angegriffener Erhaltungszustand eine Rolle. Viele Dias waren nämlich schon recht rotstichig. Diese altersbedingten Veränderungen konnten nur noch voranschreiten.
Vertraglich wurde vereinbart, dass ich die Bilder auf eigenes Risiko und unter Ausschluss jeglicher Verantwortung für den Veräußerer frei verwerten konnte und dieses Recht auf Dritte übertragen durfte. In Kürze hieß das, dass ich damit machen konnte, was ich wollte, solange sich daraus keine Risiken für den Fotografen ergaben.
Berlin 1960 bis 1961
Um 1960 befand sich der kalte Krieg in voller Blüte. Als Gegner stand die Sowjetunion den NATO-Staaten gegenüber. Die heißen Kämpfe wurden als Stellvertreterkriege nicht mehr in Europa ausgefochten, sondern in Korea (1950-1953), Vietnam (1955-1975) und während der Kubakrise 1962 hätte es zum atomaren Schlagabtausch kommen können.
Berlin war nach dem Zweiten Weltkrieg in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden. Die östliche Hälfte war von den Russen besetzt, während das westliche Berlin aus den französischen, englischen und amerikanischen Sektoren bestand. Der Westteil gehörte zur BRD, während Ost-Berlin zur Hauptstadt der DDR wurde. Am 13. August 1961 wurde als Teil einer Grenzbefestigung zwischen der DDR und BRD durch Kräfte aus der Sowjetischen Besatzungszone Ost-Berlin von West-Berlin abgeriegelt und mit dem Errichten der Berliner Mauer als Teil des Eisernen Vorhangs begonnen. Das war in aller Stille gut vorbereitet worden und kam für die meisten Bürger völlig überraschend. Von heute auf morgen war die Grenze unpassierbar geworden.
Franz Baake fotografierte noch 1960 im Ostteil der Stadt die Humboldt-Universität in der Straße Unter den Linden. Einige seiner Fotos zeigen das Brandenburger Tor ohne Mauer. Jeder konnte noch frei die Sektorengrenzen passieren. Im Jahr darauf endete diese Freizügigkeit und auf späteren Fotos sind Mauern zu sehen, die Straßen versperrten, welche von der Bernauer Straße abzweigten, zugemauerte Fenster von Häusern auf dem Grenzstreifen und Stacheldrahtzäune sowie auch Trauerkränze und Mahnmale für Menschen, die beim Versuch des Grenzübertritts vom Osten in den Westen den Tod fanden.
Um 1960 waren längst die meisten Trümmer der im Krieg zerbombten Häuser geräumt. Aber noch immer wurden verwertbare Ziegelsteine aus Ruinen geborgen.Ein Foto Baakes zeigt einen alten Mann neben gestapelten alten Ziegelsteinen und Metallschrott. Im Hintergrund erhebt sich ein Trümmerberg aus dem Schutt zerstörter Gebäude. Es handelt sich wohl um den 55 m hohen Teufelsberg im Berliner Grunewald.
1961 flanierten nur wenige Kilometer von der Berliner Mauer entfernt gut gekleidete Leute auf dem noblen Kurfürstendamm im Berliner Ortsteil Charlottenburg. Im Hintergrund einiger Fotos ist die im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstörte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz zu sehen.
Am Kurfürstendamm steht Berlins einzige Kanzel, aus der Verkehrspolizisten von 1956 bis 1962 den Straßenverkehr regelten. Das merkwürdige Gebäude an einer U-Bahn-Station besteht aus einem Kiosk im Erdgeschoss mit einem großen Flachdach, über dem ein aufragender Stahlbetonträger die Verkehrskanzel trägt. Das Gebäude steht noch und wird weiterhin als Kiosk und Überdachung Treppe zur U-Bahn benutzt, während der Hochsitz für die Verkehrspolizisten schon lange keine Funktion mehr erfüllt. Auf einem Foto Franz Baakes ist noch ein Verkehrspolizist in der Kanzel über dem Kiosk zu sehen.
Weitere Bilder aus der Serie zeigen neben dem angenehmen Treiben auch den fließenden Autoverkehr mit vielen VW-Käfern. Bei den Frauen galten Sonnenbrillen und Chiffon-Kopftücher als modisch. Franz Baake fotografierte dort aber auch Akteure, die offenbar kein leichtes Los hatten. Eine alte, dick angezogene Frau als Zeitschriftenverkäuferin auf den Stufen eines Hauseingangs oder Schuhputzer und Invalide, die ebenfalls Zeitschriften verkauften. 1963 fotografierte Baake die Menschenmenge vor dem Rathaus Schöneberg in West-Berlin anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten John F. Kennedy.
2021 - Artikel in der PhotoKlassik
2021 konnte ich einige Bilder von Franz Baake mit einem Begleittext in der Zeitschrift PhotoKlassik 2021-IV publizieren. Anlässlich der Veröffentlichung kam es zu einem erneuten Kontakt mit Franz Baake, der als fast 90-jähriger geistig fit war und sich sehr gut an vieles erinnern konnte, auch an unsere Begegnung wegen meines Bilderkaufs im Jahre 2008. Er fragte nach gemeinsamen Bekannten und sogar nach meiner Schwester. Mir war gar nicht bewusst, dass er sie kannte.
Stand der Erschließung
Die Dias wurden zügig nach dem Erwerb aus den Rahmen ausmontiert und gescannt. Die meisten Bilderserien waren aufgrund von Titeln auf Zeitschriften, Datumsangaben in einigen Bildern und erkennbaren Ereignissen zeitlich gut einzuordnen. Die Dateien wurden mit eingebetteten Bildinformationen (IPTC-Infos) versehen.
Baake fotografierte wohl freihändig. Daher sind viele Bilder nicht ganz so scharf wie sie mithilfe eines Stativs hätten gelingen können. Versuche ergaben, dass die Detailauflösung der Scans aus einem Epson Perfection Photo V750 Flachbettscanner auch mit besserer Technik nur selten verbessert werden konnte. Einige Fotos sollten trotzdem erneut digitalisiert werden, um bessere Tonwerte bei besonders farbstichigen Vorlagen zu erhalten.